Spüren Sie es auch? Nicht nur mit den Temperaturen geht es aufwärts, nein, auch und vor allem mit Deutschland! Und zwar nicht nur wegen der immer und überall siegreichen Frauen-Fußball-Nationalmannschaft. Auch die geballte Kraft von wirtschaftlichem Aufschwung und politischem Reformwillen beginnt sich zu voller Blüte zu entfalten, und so war am Wochenende in der Zeitung zu lesen, dass – neben einer Aufführung der Augsburger Puppenkiste zur Frauen-Fußball-WM – auch das Sinken der Arbeitslosenzahlen unter die magische Drei-Millionen-Marke zu vermelden sei.
Das hat es seit Adenauer nicht gegeben, als die Leute noch immer Kinder kriegten und in Artikel 13 des Grundgesetzes nicht nur das Recht auf Arbeit, sondern sogar auf freie Berufswahl verankert war. Erst während der Kohl-Ära wurde das abgeändert durch den Grundsatz: „Man muss ja heutzutage froh sein, wenn man Arbeit hat.“
Bedenklicherweise zeigt sich eine der sinkenden Arbeitslosenzahl entsprechende Anzahl vom Glück der Berufstätigkeit beschenkter Bürger ganz und gar nicht gesetzestreu. Anstatt verfassungskonform froh zu sein, dass sie heutzutage Arbeit haben, kriegen die Menschen Burn-Out und Depressionen und ähnliche Kinkerlitzchen. Das liegt am übersteigerten Anspruchsdenken. Kaum haben die Leute Arbeit, wollen sie auch noch genug Geld zum Zahlen ihrer Miete und zum Tanken ihrer Autos. Außerdem wollen sie Arbeitszeiten, die eine Teilnahme am sozialen Leben ermöglichen sowie Urlaub am Stück, anstatt zur Überbrückung betrieblicher Flautenzeiten. Wenn sie das nicht kriegen, kriegen sie Depressionen. Da helfen auch alle Hinweise z. B. auf die Arbeitsmoral der Südostasiaten nichts, die keine Zeit für Depressionen haben, weil sie damit beschäftigt sind, nicht in der Kinderprostitution zu landen.
Nein, der undankbare westliche Wohlstandsbürger wird, kaum ist er Hartz IV entronnen, unverdrossen depressiv. Da können die Väter und Urgroßmütter des Grundgesetzes Gesetze zum Frohsinn erlassen, so lange sie lustig sind.
Zum Glück für das westliche Wohlstandswesen ist ja unsere Legislative eh nur so eine Larifari-Systemattrappe. Im real existierenden Demokratismus geht die Macht im Staate immer noch von der Wirtschaft aus, und die macht aus jeder Not einen Reibach: Wer arbeitet, der ist krankenversichert, und wer krankenversichert ist, der kriegt Serotoninwiederaufnahmehemmer. (Serotoninwiederaufnahmehemmer sind Antidepressiva, aber mit diesem Wissen lässt sich schlecht protzen. Fast ein jeder weiß heutzutage, was Serotoninwiederaufnahmehemmer sind, oder kennt jemanden, der weiß, was Serotoninwiederaufnahmehemmer sind.)
Wer einen Serotoninwiederaufnahmehemmer kreiert, der verdient sich dumm und dusselig. Serotoninwiederaufnahmehemmer darf jeder Hausarzt verschreiben (was soll er den Geoutburnten und Depressiven auch sonst verschreiben, menschenwürdige Arbeitsplätze etwa?), und man muss sie über einen längeren Zeitraum einnehmen, um depressive Symptome wie den Grübelzwang zu überwinden. Spätestens nach sechs Wochen (hieran muss noch gearbeitet werden, nach sechs Wochen kriegt der Erkrankte eh Krankengeld und liegt der Wirtschaft nicht länger auf der Tasche) hört der Depressive auf, zwanghaft darüber nachzugrübeln, ob er nicht lieber durch einen beherzten Sprung von der nächsten Autobahnbrücke ein Leben beenden sollte, welches ihn aufgrund von Arbeitsüberlastung, Geldnot und Schlaflosigkeit so gar nicht mehr lebenswert deucht.
Obgleich sich auch auf diese Weise die Arbeitslosenstatistiken sehr effektiv zum Positiven verändern ließen – jeder beherzt von einer Autobahnbrücke Gesprungene bedeutet ja einen freien Arbeitsplatz – , ist auch hier das Interesse der Ökonomie vorrangig vor dem der Politik. Die Depression ist der Motor der Pharmaindustrie, denn Depressionen sind nicht heilbar, wohl aber behandelbar. Ein Leben mit Serotoninwiederaufnahmehemmern beschert den Pharmakonzernen dauerhaften Umsatz, der Wirtschaft brave Arbeitszombies und den Depressiven ein Leben ohne Grübelzwang.
Oh schöne neue Arbeitswelt, die solche Menschen hat.
© 2011 Bianka Tewes – Schöne neue Arbeitswelt dank Serotoninwiederaufnahmehemmer
Fotos: © Rainer Sturm | © Gerd Altmann / PIXELIO
Die Zahl der Arbeitslosen sinkt unter die 3-Millonengrenze. Na prima.
Und im nächsten Jahr soll sie unter die 10-Millionengrenze sinken.
Na dann her mit dem Serotoninwiederaufnahmehemmer. Ich mache doch alles, damit ich in das System passe. Wenn ich funktioniere habe ich meine Ruhe und es freut sich die Umwelt. Eine win-win Situation. Wer braucht schon Freiheit und Entfaltung im Leben.
Cooler Text, gefaellt mir sehr gut
Sooo sorry for your loss, I visit you (blog) on a regular but felt the need to leave a comemnt. I loss my 9yr old Boxer last year and it’s like losing a child. Anywho, on to happy;) love the pj-ish outfit, it may be a tad bit confusing (socially) but you rock it well so who cares;)
Traurig wenn jemand Drogen nimmt um besser Leben zu können? Wo soll das Enden?
Noch schlimmer, wenn jemand Drogen nimmt um besser arbeiten zu koennen…!
Am schlimmsten, wenn jemand zu viel arbeitet, nur weil er sich keine vernünftigen Drogen leisten kann!
Hmm….Das ist sehr traurig wenn man mit Drogen das Leben “schöner” gestalten will….ist leider über kurz oder lang nur eine Illusion….